Presse Bielefeld-Bayern München

  • Die junge Garde stößt an ihre Grenzen
    Bayern muss sich mit 0:0 begnügen


    München - Die Wochenend-Bilanz von Ottmar Hitzfeld liest sich wesentlich besser als die seiner Stürmer. Sechs Mal schoss der Bayern-Trainer am Samstagabend auf die Torwand des ZDF-Sportstudios. Seine Ausbeute: Zwei Treffer. Die Münchner Offensivkräfte hatten sich einige Stunden zuvor gegen Arminia Bielefeld ebenfalls sechs Mal an Torschüssen versucht. Ihre Ausbeute: Null Treffer.


    Eine Gemeinsamkeit hatten Coach und Angreifer dennoch: Beide schlossen ihre Duelle mit einer Punkteteilung ab, und zumindest in einem Fall ging das aus Sicht der Roten in Ordnung. Hitzfeld war sein Remis an der Torwand ziemlich schnurz (der Studiogast hatte ebenfalls zweimal getroffen), wichtiger war, dass auch Bielefeld keinen Torerfolg feierte. 0:0 auf der Alm - das Münchner Rumpfteam verkaufte dies als Erfolg.


    Kritische Stimmen wie die von Manager Uli Hoeneß ("nur eine echte Torchance in 90 Minuten - das ist auch mit dieser Mannschaft zu wenig") waren jedenfalls Mangelware bei der Spielanalyse, bei der reihum der enorme personelle Aderlass als Entschuldigung geltend gemacht wurde.


    ANDREAS WERNER
    http://www.merkur-online.de

  • Ehre im Abstellraum


    Trotz des 0:0 in Bielefeld bleibt der Respekt vor den Bayern gewaltig – einziger Verlierer ist Giovane Elber


    Bielefeld – Laut gregorianischem Kalender war es Samstag, der 1. Februar, 17.05Uhr. Doch nach der für Oliver Kahn maßgeblichen Zeitrechnung war es die 703. Minute seit Jan Koller (der letzte Bundesligaprofi, der es gewagt hatte, dem Münchner Schlussmann ein Gegentor zu verpassen): Ansgar Brinkmann, Bielefelds Rechtsaußen, läuft zum Eckstoß an. Er haut den Ball hoch in die Strafraummitte, wo sich der mindestens zwei Meter große Mittelfeldspieler Christoph Dabrowski zum Kopfball aufschwingt. Dabrowski trifft die Kugel mit der Stirn, ein winziger Moment Spannung bannt die 26601 Zuschauer, dann packt Kahn den Ball, und spätestens jetzt hörten die Anhänger der Arminia auf, an das Unglaubliche – ein Tor gegen den Titanen – und ein Happy End für ihren Klub zu glauben. Es bleibt beim 0:0.


    Wieder also blieb Kahn unbezwungen. Wenn es dem Hamburger SV in der nächsten Partie nicht innerhalb von 23 Minuten gelingt, einen Treffer gegen ihn zu setzen, dann hat der Nationalkeeper die Bundesligabestmarke gesprengt, die er natürlich auch selbst aufgestellt hat. „Das ist wahrscheinlich nicht der erste und nicht der letzte Weltrekord, den der Mann gebrochen hat“, bemerkte dazu recht gleichgültig der Bielefelder Brinkmann. Doch was nicht in den Büchern stehen wird: Eigentlich hält nicht Kahn den Rekord, sondern Thomas Linke, Robert Kovac und Jens Jeremies. Und Bixente Lizarazu, Sammy Kuffour und Owen Hargreaves. Diese geölte und perfekt geschmiedete Defensivmaschinerie, die Kahn solche Nachmittage wie in Bielefeld erlaubt, an denen er maximal dreimal zu Boden geht, um minimale Gefahr abzuwenden. In der vergangenen Woche hatte sich Mönchengladbachs Torwart Jörg Stiel schon darüber beklagt: „Die Bayern lassen ihre Gegner mitspielen, aber sie lassen hinten nichts zu. Sie sind einfach total abgezockt.“ Das ist das Problem. Deswegen kommen die Bayern auch in einem solchen Spiel unbesiegt davon, das Bielefelds Regisseur Fatmir Vata rätseln ließ: „Der Name war da, aber die Mannschaft nicht.“


    Arminia Bielefeld hatte schwungvoller begonnen als die Münchner und auch in der zweiten Halbzeit mehr für einen Sieg unternommen. Es gab einige Szenen im Münchner Strafraum, die wie Torchancen aussahen. Doch bis auf zwei seriöse Gelegenheiten durch den zappeligen, aber sehr mobilen Angreifer Momo Diabang sowie Mittelfeldspieler Detlev Dammeier (dessen Schuss jämmerlich endete) waren es eigentlich nur Attrappen von Torchancen. Aber das zeichnete die Bielefelder Stürmer wenigstens gegenüber den Münchner Angreifern aus, die nicht mal das zustande brachten. Giovane Elber schoss nach fünf Minuten einmal aufs Tor, später gelang ihm noch ein seichter Kopfball, dann verschwand er wie ein Dieb in der Menge. Er kehrte erst zurück, als ihn nach dem Spiel der Münchner Klubchef Karl-Heinz Rummenigge in Erinnerung rief. Und wie. Rummenigge sagte: „Das ist einfach zu wenig vom Giovane Elber. Kein Zufall, dass er so lange kein Tor schießt, da muss er mehr arbeiten. Da passiert zu wenig.“


    Rummenigge musste gehen, der Bus zum Flughafen Paderborn wartete. Die Fehde mit dem brasilianischen Angreifer, der seine Beziehung zum FC Bayern jede Woche aufs Neue in Frage stellt und auffallend oft von den Klubchefs gerügt wird, hätte sonst Ausmaße angenommen. So nahm Rummenigge mit einer Empfehlung Abschied: „Ich würde ihm dringend raten, nichts mehr zu sagen. Der Klub hält sich da ja sehr zurück – ich würde sagen: elegant.“ Elegant? Kälter als der strenge Frost auf der Bielefelder Alm wirkt es, wie die Vereinsführer die Trennung von Elber betreiben.


    Die Bayern mussten zwar viele Stars ersetzen, Männer wie Ballack, Scholl und Zé Roberto, doch auf dem Platz standen trotzdem zehn Nationalspieler. „Der Kader, mit dem sie angefangen haben, hatte immer noch internationale Klasse“, sagte Brinkmann. Nur der 18-jährige Sebastian Schweinsteiger fiel aus der Reihe. In seinem ersten Bundesligaspiel in der Startformation durfte er den prominenten Part hinter den Spitzen besetzen, was ihm nicht besonders gut gelang. Er war nervös und verlor viele Bälle. Als er in der zweiten Halbzeit auf die Außenbahn wechselte, spielte er besser und ließ erkennen, wie begabt er ist. Doch dann wechselte ihn Ottmar Hitzfeld aus. Hinterher durfte Schweinsteiger, dem Gespräche mit Reportern untersagt sind, weil die Bayern glauben, dass er dann den Starfimmel kriegen könnte, ein State ment abgeben: „Ich bin nicht so zufrieden“, sagte er, „es freut mich ja, dass sie mich anspielen, aber ich muss dann auch was machen mit dem Ball – und das habe ich heute nicht getan.“


    Auch den übrigen Beteiligten hatte das 0:0 wenig Gefallen bereitet. „Im Endeffekt müssen wir zufrieden sein“, gab Thomas Linke nach dem Duschen lieblos bekannt. Vermutlich hatte er schon vergessen, von welchem Spiel auf dem Weg zum Gewinn der 18. Meisterschaft er sprach. Den Bielefeldern blieb ebenfalls ein schales Gefühl. „Im Grunde weiß ich nicht, ob ich zufrieden oder unzufrieden sein soll“, meinte Christoph Dabrowski. Brinkmann tröstete sich damit, dem „kommenden Deutschen Meister“ Widerstand geleistet zu haben. Die Ehrfurcht bleibt groß vor den Bayern, selbst wenn sie nur geringfügige Kunst bieten. Brinkmann freute sich über das Trikot von Bixente Lizarazu, gegen den zu spielen er „als Ehre“ betrachtet, weil: „Der Mann muss das schon auswendig lernen, um alles aufzuzählen, was der gewonnen hat.“ Brinkmann, 33, hat 46 Bundesligaspiele bestritten und war sich nicht sicher, ob Lizarazu den Hemdentausch ebenfalls als Ehre empfand: „Ich glaube schon, dass er mein Trikot genommen hat. Ich weiß nur nicht, wo er’s hinhängt – wahrscheinlich in den Abstellraum.“ So hatte wenigstens einer in diesem zähen Stück aus dem Bundesligaalltag ein bisschen Komödie gespielt.


    Philipp Selldorf
    http://www.sueddeutsche.de

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