Zur Diskussion: Homosexualität & Fußball

  • Dazu ein Artikel aus der Süddeutschen Zeitung von heute:


    Das letzte Tabu


    „Schwul“ hat sich in der Fußballszene als Schimpfwort etabliert – das Fan- Bündnis Baff geht dagegen vor


    Die Karriere des Schimpfworts erlebte kürzlich beim Länderspiel der Fußballnationalmannschaft gegen die Niederlande ihren vorläufig letzten Höhepunkt. Ein Teil des Publikums besang in der Arena AufSchalke die Gäste lautstark als „schwule Holländer“, wie überhaupt Bundesligaspieler oder Schiedsrichter in dieser Saison immer wieder als schwul beschimpft wurden. Neu ist das nicht, denn schon vor zwanzig Jahren gab es Sprechchöre in den Stadien wie: „Rummenigge, der schnelle, der homosexuelle.“ Doch offensichtlich ist Homosexualität in den Kurven das letzte Tabu, seitdem die Zahl der rassistischen Beschimpfungen deutlich abgenommen haben. Stephan Meyer-Kohlhoff von den Hertha-Junxx, einem der ersten bekennend homosexuellen Fanklubs in Deutschland, sagt: „Das Wort ‚schwul‘ wird beim Fußball als Platzhalter für alles benutzt, was einem nicht passt.“ Das gilt auch für die Akteure. „Ihr schwulen Säcke, ich bringe euch alle um“, polterte während eines Spiels Achim Steffens, Trainer des 1.FC Magdeburg.


    Warten auf ein Outing


    Damit Fußball nicht eine der letzten Enklave der Schwulenfeindlichkeit bleibt, hat das Bündnis Aktiver Fußball-Fans (Baff) den weltweit ersten Forderungskatalog gegen sexuelle Diskriminierung und Homophobie im Fußball vorgestellt. „Es hat sich einiges bewegt, was andere Bereiche der Diskriminierung angeht, deshalb wollen wir nun endlich auch dieses Thema anpacken“, sagt Baff-Sprecher Gerd Dembowski. Entsprechende Paragraphen sollen in die Vereins- und Stadionsatzungen aufgenommen werden, wie das bislang nur Werder Bremen, der MSV Duisburg und der FC St. Pauli getan haben. Außerdem werden die Klubs aufgefordert, beim Publikum Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben und im Jugendfußball über Homosexualität aufzuklären. Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball Liga (DFB) sollen gegen Schwulenfeindlichkeit im Fußball vorzugehen.


    Erfreut ist darüber Meyer-Kohlhoff, fände es aber wie die meisten schwulen Fußballfans „ganz toll“, wenn sich endlich ein Bundesligaspieler outen würde: „Das hätte eine ganz andere Präsenz als bei Künstlern.“ Geht man davon aus, dass ungefähr jeder zwanzigste Mann schwul ist, müsste es in den beiden Bundesligen rund drei Dutzend homosexuelle Profis geben. In Wirklichkeit hat sich in 40 Jahren Profifußball in Deutschland noch kein einziger Spieler dazu bekannt, Männer zu lieben. „Wir hoffen sehr, dass sich irgendwann ein prominenter Fußballspieler outet“, sagt Ben Baks, Sprecher der European Gay&Lesbian Sports Federation. Allerdings ist dazu wohl immer noch ein heroischer Akt nötig: „Wir würden es zwar gerne sehen, aber niemandem dazu raten.“


    So fehlt bis heute für ein Outing im Profifußball ein geglücktes Vorbild. Tragisch verlief der Fall des Engländers Justin Fashanu, der sich 1990 zu seiner Homosexualität bekannte. Als er seine Geschichte für 100000 Pfund an die Boulevardzeitung The Sun verkaufte, war Fashanu 29 Jahre alt, und nach einer schweren Knieverletzung waren seine besten Tage als Fußballspieler längst vorbei. Den hohen Preis für seine Enthüllungen versuchte er durch Übertreibungen („Jeder vierte Profi ist schwul!“) und die später als falsch eingestandene Behauptung zu rechtfertigen, mit einem konservativen Parlamentarier geschlafen zu haben.


    1998 ging Fashanu in die USA, wo er als Trainer arbeiten wollte. Dort hatte Fashanu nach einer Partie in seiner Wohnung Sex mit einem 17-Jährigen und floh nach England zurück, als Nachforschungen wegen einer Vergewaltigung angestellt wurden. Drei Wochen später, am 2. Mai 1998, nahm er sich in London das Leben und schrieb in seinem Abschiedsbrief, erpresst worden zu sein. Vieles deutete aber darauf hin, dass er den Jungen wirklich vergewaltigt hatte.


    Nicht minder tragisch verlief die Geschichte des einzigen bekannt schwulen Bundesligaspielers, denn die Homosexualität von Heinz Bonn wurde erst durch die Umstände seines Todes publik. Zu Beginn der siebziger Jahre hatte der talentierte Bonn für drei Spielzeiten beim Hamburger SV unter Vertrag gestanden, sich aber nach Verletzungsproblemen vom Fußball zurückgezogen. Sein Schwulsein hielt er verborgen; er wurde im Dezember 1991 in seiner Wohnung von einem Strichjungen ermordet.


    Beckham hilft


    Inzwischen deutet trotz der laut vorgetragenen Schwulenfeindlichkeit in den Stadien einiges darauf hin, dass auch die letzte Bastion vor dem Fall steht. In diesem Sommer ließ sich David Beckham für das englische Schwulenmagazin Attitude als männliches Pin-Up fotografieren und bekannte: „Mir gefällt es, dass ich männliche Verehrer habe. “ Auch die Hertha-Junxx haben seit ihrer Gründung vor anderthalb Jahren positive Erfahrungen gemacht. Zwar hören die 35 Mitglieder noch Beschimpfungen, wenn sie ihre Fahne in den Regenbogenfarben der Schwulenbewegung und dem Emblem von Hertha BSC schwenken, „aber inzwischen haben wir weniger Herzklopfen“, sagt Meyer-Kohlhoff. Hilfreich war auch die Unterstützung des Klubs. „Hertha hat sich sehr schnell mit der Gründung eines schwul-lesbischen Fanklubs geschmückt“, sagt Meyer-Kohlhoff. Offensichtlich hat sich der Klub eine Image-Verbesserung versprochen.


    Auch sorgte es für überraschend wenig Wirbel, als in Corny Littmann beim FC St. Pauli erstmals ein offen Homosexueller zum Präsidenten eines deutschen Profiklubs gewählt wurde. Das war vor gut zehn Jahren noch anders, als Littmann in einer Fernsehdiskussion den Kölner Profi Paul Steiner („Schwule sind für Fußball viel zu weich“) damit verblüffte, mit einem seiner Mitspieler im Bett gewesen zu sein. Wer das gewesen sein sollte, behielt Littmann allerdings für sich.


    Christoph Biermann
    http://www.sueddeutsche.de

  • Als bekennender Hetero ist es mir egal ob ein Fussball-Profi homo- oder heterosexuell veranlagt ist.


    Sicher wäre es ein Spiesrutenlaufen für denjenigen, der sich outen würde. Unsere ach so liberale Gesellschaft macht wahrscheinlich doch einen Unterschied ob ein Künstler, wie Maler, Schauspieler oder Musiker, schwul ist oder ein ach so harter Fussballspieler.


    Ich kann mir vorstellen, dass auch innerhalb der Mannschaft oder des Gegners, der Umgang nicht ganz problemlos wäre.
    Solche Sätze wie, Du deckst jetzt XY, bekämen eine völlig neue Bedeutung :D .


    Insgesamt glaube ich, dass ein offenes Outing, wohl noch ein paar Jahre auf sich warten lassen wird. Zumindest würde ich es, egal wer es ist, als sehr mutig ansehen.

  • Zitat

    Ein Teil des Publikums besang in der Arena AufSchalke die Gäste lautstark als „schwule Holländer“,


    Das beweist doch wie Intolerant die Schalker sind, mein Standpunkt ist damit auch gesagt.
    Und überhaupt, ich dusche 2-3mal in der Woche mit anderen Männern, wahre Liebe gibts halt nur unter Männern!!!
    8o :pillepalle: 8o ;( 8o :rolleyes: 8o :D 8o :P 8o

  • Ich beobachte auch die Tendenz gerade bei den Fußballfans, die Starspieler anderer Vereine als "schwul" zu beschimpfen. Aber wenn dann von den anderen der gleiche Spruch zurückkommt, finden sie das sicher auch nicht so klasse.


    Also man sollte solche völlig ins Leere greifenden Sprüche wirklich sein lassen. Ein Outing halte ich in der Fußballszene tatsächlich auch für sehr problematisch, das bietet nur Angriffsfläche. In anderen Szenen kann man sich leichter outen, die Fußballszene ist leider eher rückständig.


    Übrigens glaube ich nicht, wie oben beschrieben, daß jeder 20. Mann schwul ist. Ich vermute, daß die Homosexuellen selbst zu solch relativ hohen Zahlen greifen, um ein Stück Normalität einkehren zu lassen. Ich selbst hätte kein Problem, wenn jemand aus meinem Bekanntenkreis sich zur Homosexualität bekennt. Bisher ist mir dieser Fall allerdings noch nicht untergekommen.

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