Dunkle Seiten des Fußballs

  • TuS Koblenz
    Dunkle Seiten des Fußballs
    Von Daniel Meuren, Koblenz


    19. Dezember 2008 Rüdiger Heilmann betritt den Saal 131 des Koblenzer Landgerichts. Wieder einmal ist ein Richter in der Stadt am Rhein-Mosel-Eck mit einem Rechtsstreit rund um die Geschehnisse bei der Koblenzer Turn- und Spielvereinigung von 1911 befasst. In diesem Jahr hatten solche Prozesse Konjunktur.


    Die 15. Zivilkammer unter dem Vorsitz des Richters Heilmann soll nun seit dem ersten Verhandlungstag am Mittwoch dieser Woche die Vorgänge rund um den Transfer des Spielers Ardijan Djokaj im Sommer des Jahres 2007 klären. Die Spielerberateragentur Pro Profile, die dem ehemaligen Profi Thomas Kroth gehört, klagt auf Zahlung einer ausstehenden Provision in Höhe von 20.000 Euro für die Anbahnung des Transfers. Diesen soll die Agentur im Auftrag der TuS in die Wege vorbereitet haben, wie der Rechtsanwalt Josef Ulrich Döring als Vertreter des klagenden Spielervermittlers vor Gericht ausführt.


    Anwalt Döring: „Das Geschäftsgebaren von TuS Koblenz ist nicht zu dulden“


    Normalerweise geraten solche pikanten Details aus der oft seriösen, manchmal aber auch zwielichtigen Welt der Spielertransfers nicht an die Öffentlichkeit, weil sich die Beteiligten spätestens kurz vor Prozessbeginn außergerichtlich einigen, um Schaden für den Ruf der Fußballbranche abzuwenden.



    Die Agentur Pro Profile, die bei Profis und Klubs den Ruf als eines der seriösesten Spielerberaterunternehmen genießt, geht dieses Mal indes einen anderen Weg. „Wir klagen nicht, weil die Firma Pro Profile ohne die 20.000 Euro untergehen würde“, sagt Anwalt Döring vor Gericht. „Wir klagen, weil das Geschäftsgebaren von TuS Koblenz nicht zu dulden ist.“


    Punktabzug im Frühjahr


    Die neueste juristische Auseinandersetzung passt zur jüngeren Vergangenheit des Klubs, der sportlich in den vergangenen Jahren den Durchmarsch aus der Oberliga bis in die Zweitklassigkeit geschafft und dort zweimal die Klasse gehalten hat. Selten hat ein Klub parallel zu sportlichen Höhenflügen in solch heller Öffentlichkeit die dunklen Seiten des Fußballs zur Ansicht gebracht wie die TuS: Zunächst rief der Verein im Frühjahr die Deutsche Fußball-Liga (DFL) auf den Plan, die die Koblenzer wegen Unregelmäßigkeiten im Lizenzierungsverfahren zu einem Abzug von sechs Punkten in der vergangenen Spielzeit und einem Malus von drei Punkten in der laufenden Saison verurteilte.



    Der Ligaverband bestrafte den Klub dafür, dass die in die TuS Koblenz GmbH ausgelagerte Lizenzspielerabteilung beim Kauf der Spieler Branimir Bajic und Marko Lomic gegenüber der DFL falsche Angaben gemacht hatte. Die TuS hatte Transferverträge über eine Summe von insgesamt rund 800.000 Euro vorgelegt. In Verträgen, die der DFL vorenthalten wurden, war indes eine Gesamtsumme von rund 2,3 Millionen Euro vereinbart, die der Klub mit dem in den Lizenzierungsunterlagen angegebenen Etat von rund zehn Millionen Euro nicht hätte finanzieren können. (siehe: Punktabzug für TuS Koblenz: „Der Fall ist weiter ungeklärt“)


    Optionsvereinbarung sorgt für Ärger


    Im Zuge der Unruhe rund um den drohenden Verlust der Lizenz für die Zweite Bundesliga kamen indes weitere heikle Details ans Tageslicht: Mehr und mehr verdichten sich die Hinweise, dass der Investor Mittelrheinverlag mit dem Geschäftsführer Walterpeter Twer weitaus mehr das Sagen im Klub für sich beansprucht, als es im Binnenverhätlnis zwischen Verein und Teilhaber üblich ist. Das Stammhaus des regionalen Tageszeitungs-Monopolisten Rhein-Zeitung, das im Mai 2007 49 Prozent der Anteile an der für den Profispielbetrieb ausgelagerten TuS Koblenz GmbH für die Kapitaleinlage von 1,225 Millionen erhielt, hat sich mittels eines Optionsvertrags weitere zwei Prozent der Anteile gesichert für den Fall, dass die 50+1-Regel der DFL fällt, die eine Mehrheitsbeteiligung von Investoren in deutschen Profifußball-Klubs bisher untersagt.



    Trainer Rapolders Abstiegssorgen sind nicht die einzigen Nöte des Klubs
    Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass sich Twer bei der für die Ausgliederung in die GmbH entscheidenden Mitgliederversammlung im Mai 2007 als uneigennütziger Gönner mit großem Herz für den Koblenzer Vorzeigeverein bezeichnete, der sein Geld ohne geschäftliches Eigeninteresse in den Klub stecke und dem die Anteile von 49 Prozent eher Last als Lust seien. „Wir verkaufen gerne Anteile an andere Gesellschafter, die mindestens 100.000 Euro mitbringen“, hatte Twer damals gesagt, während er seinem Verlag insgeheim über die Optionsvereinbarung die Mehrheit am Klub gesichert hatte.


    Machtkampf mit Twer


    Die Optionsvereinbarung an sich verstößt indes nicht gegen DFL-Statuten, wie ein Sprecher des Ligaverbands auf FAZ.NET-Anfrage erklärte. Sie wurde aber vom ehemaligen Vorstand der TuS im Mai 2007 ohne die nötige Zustimmung der Mitglieder des Vereins unterzeichnet. „Ich halte diese Vereinbarung für unwirksam, da sie vereinsrechtlich der Zustimmung der Mitglieder bedurft hätte, die schließlich einen entscheidenden Teil ihrer Rolle als Souverän des Vereins abgegeben hätten“, sagte der erst im Februar als „Retter“ ins Präsidentenamt des TuS gehievte und am vergangenen Wochenende ohne jede öffentliche Erklärung zurückgetretene Rüdiger Sterzenbach auf der Jahreshauptversammlung am 1. Dezember. Dort hatte Sterzenbach - nur wenige Tage vor seinem Rücktritt - die Rolle des Aufklärers aller klubinternen Ungereimtheiten ausgefüllt und auf offener Bühne den Machtkampf mit dem Verleger Twer aufgenommen.


    Sterzenbach verlangte von Twer neben dem Verzicht auf die Optionsvereinbarung auch, dass die GmbH die Schuldenlast des Vereins in Höhe von über 600.000 Euro zu übernehmen habe, weil die TuS sonst Insolvenz anmelden müsse und somit auch die Existenz des Zweitligateams gefährdet sei. Diese Schulden sind entstanden aus Forderungen des Finanzamts und der Sozialversicherung, die der Verein bei seinem Aufstieg in die Zweite Bundesliga hintergangen hat - mit der Zahlung von Schwarzgeldern an ehemalige Spieler und sportliche Verantwortliche. Der ehemalige Präsident Sterzenbach war zuletzt sogar der Ansicht, dass diese Summe dem Verein ohnehin zustehe, aus zu Unrecht in die GmbH umgeleiteten Sponsorengeldern des Mittelrheinverlags aus dem Jahr 2007.


    Traum vom Stadionbau


    Rätselhaft ist vor dem Hintergrund all der Unstimmigkeiten bei der TuS, weshalb sich Twer das alles noch antut. Die Motivation des erfolgreichen Geschäftsmanns, im Dunkel der Fußballbranche seinen Ruf zu gefährden, ist bis heute unklar. Ursprünglich verfolgte er einmal den Traum vom Bau eines neuen Stadions, das neben der Nutzung durch die TuS vor allem auch Twer als Veranstaltungsort für Konzerte und andere Events dienen soll. Eine solche Arena wäre wohl nur realisierbar, wenn ein hochklassiger Fußballverein am Ort ansässig ist. 2007 hatte Twer bereits die Gründung einer Stadionbetreibergesellschaft in die Wege geleitet und das Vorhaben auf der Mitgliederversammlung den erwartungsfreudigen Fans als Teil der Vision einer großartigen Zukunft des Koblenzer Fußballs vorgestellt.


    Die Planungen gerieten aber wegen der Unruhe rund um die Finanzprobleme der TuS ins Stocken, die vor zwölf Monaten ans Tageslicht kamen. Der Verein, der Anfang des Jahres 2007 finanziell noch scheinbar solide aufgestellt war, hatte plötzlich Löcher von über vier Millionen Euro zu stopfen. Zum Sündenbock wurde der im Dezember 2007 beurlaubte und später fristlos gekündigte Geschäftsführer Hermann Gläsner erkoren.


    Wer war wirklich Geschäftsführer?


    Formal trägt Gläsner zumindest für die Unstimmigkeiten bezüglich des Lizenzierungsverfahrens die Verantwortung, die letztlich zum Punktabzug geführt hatten. Dennoch klagt der ehemalige Vereinsangestellte derzeit vor dem Koblenzer Landgericht gegen die Rechtmäßigkeit der fristlosen Kündigung durch seinen ehemaligen Arbeitgeber. (siehe: TuS Koblenz: Machenschaften in der Fußballprovinz) „Mein Fehler war, dass ich Twers Anweisungen umgesetzt und nicht einfach mein Geschäftsführeramt niedergelegt habe“, sagte Gläsner am ersten Prozesstag am 24. September. Seine Anwältin Margit Bastgen verteidigt ihren Mandanten mit dem Hinweis, „dass Gläsner lediglich eine Marionette des allmächtigen Aufsichtsratsvorsitzenden Twer war, der faktisch die Geschäfte der TuS geführt hat“.


    Gläsner habe stets nur auf Anweisung des Aufsichtsratsvorsitzenden als ausführendes Organ gehandelt, während Twer beispielsweise gemeinsam mit Trainer Uwe Rapolder die Verhandlungen bei den umstrittenen Transfers der Spieler Lomic und Bajic mit deren Spielerberatern Volker Graul und Abdigalfar Ramadani geführt habe. Twer bestreitet dies. „Ich habe Ramadani erst viele Monate später kennengelernt“, sagte Twer vor Gericht. Rapolder behauptet, nie mit irgendjemandem verhandelt zu haben.


    Wurde Djokaj hinter dem Rücken von Pro Profile verpflichtet?


    Eben jener Ramadani spielt nun aber auch eine Hauptrolle an der neuesten Front, an der TuS Koblenz kämpft: Der von der Agentur Pro Profile bis zur Vertragsreife in die Wege geleitete Transfer Djokaj soll nämlich „letztlich hinter dem Rücken der Agentur Pro Profile über einen nicht lizenzierten Spielerberater abgewickelt“ worden sein, wie Rechtsanwalt Döring vor Gericht sagt. Am 18. Juni 2007 waren der Montenegriner Djokaj und Branko Pamic, Kroths Fachmann für das frühere Jugoslawien, in Frankfurt mit TuS-Vertretern verabredet, wie die Spielervermittleragentur vor Gericht mit den bereits gebuchten und bezahlten Flugtickets für Djokajs Anreise aus Belgrad und Pamics Anreise aus Berlin belegen will. Am Tag vor dem Termin soll das Treffen aber von den TuS-Vertretern abgesagt worden sein.


    Nur zwei Wochen später wurde Djokaj dann verpflichtet, der Deal aber vermutlich von der offiziell von Ramadanis Ehefrau Heike geführten Agentur Lian Sports abgewickelt, bei der Djokaj noch heute unter Vertrag steht. Aus dem Fundus von Lian Sports hatte sich Rapolder bei der Verstärkung seines Kaders in jenem Sommer insgesamt fünf Mal bedient.


    Am 4. Februar geht es in die zweite Runde des Rechtsstreits zwischen Spielerberateragentur und Fußballverein. Zur gleichen Zeit wie die juristischen Vertreter des TuS Koblenz e.V. und der Agentur Pro Profile in Raum 131 treffen sich auch die Anwälte der TuS Koblenz GmbH mit den Vertretern des ehemaligen Geschäftsführers Gläsner in einem Nachbarsaal vor der zehnten Zivilkammer zur Beweisaufnahme. Bei der ungewöhnlichen Parallelveranstaltung könnte vor allem die Vernehmung von 17 Zeugen, darunter Trainer Rapolder und der Spielervermittler Graul, Licht ins Koblenzer Dunkel bringen.




    Text: FAZ.NET
    Bildmaterial: dpa, picture-alliance/ dpa


    Quelle: FAZ

    Einmal editiert, zuletzt von HansiWurst ()

  • Mod: Hast Du auch einen Link, wo der Artikel in Gänze zu lesen ist? Sonst ist dessen Veröffentlichung hier etwas grenzwertig.



    User: Ein Paradebeispiel, wovor die 50+1 Regel die Clubs schützen soll. Zuviel Einfluss von Sponsoren und die Mitglieder werden mal so gerade eben übergangen. Das Ganze dann auch noch für eine lächerliche Summe, weil vermutlich die Angst bestanden hat ohne diesen Sponsor abzustürzen.

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